Warum mein ganz persönlicher Jahresrückblick und was habt ihr davon?
Jedes Jahr um die Weihnachtszeit herum setze ich mich mit meiner Fotografie und dem was ich tue auseinander. Das Aufschreiben hilft mir meine Gedanken zu ordnen, das erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen und mich zu reflektieren. Also ganz für mich und ganz eigennützig. Allerdings hoffe ich mit diesen Zeilen den Einen oder den Anderen von Euch zum Nachdenken anzuregen. Ich glaube zwischen den Jahren ist es ein guter Zeitpunkt dafür.
Da ich ein visueller Mensch bin entwickle ich jedes Jahr ein Mindmap auf dem ich meine Themen
aufschreibe und mir auch immer wieder einmal anschaue. Das ist mein roter Faden, an dem ich mich nicht starr festhalte, der mich aber durch das Jahr leiten soll. Die Zeit sich zu hinterfragen hilft dabei sich weiterzuentwickeln und auf diese Reise möchte ich euch gern einladen.
Welchen Dinge standen für 2022 auf meinem Zettel?
Mein Motto für 2022 war „Nur was sich gut anfühlt und das was Spaß macht“. Ich habe mich ganz konsequent von kommerziellen Fotoaufträgen gelöst und versuche künstlerisch zu arbeiten und mich zu verwirklichen. Glücklicherweise bin ich in der komfortablen Situation einen Job zu haben der mich zum einen zeitlich und mental ausfüllt und auch fordert, der aber zum anderen soviel Geld in die Haushaltskasse spült, dass ich damit meine Fotografie finanzieren kann.
Was motiviert mich zum Fotografieren? Was mich seit nunmehr 13 Jahren die Kamera in die Hand nehmen und mich mit der Fotografie auseinanderzusetzen, Bücher zu lesen, Filme zu entwickeln…?
Ein Zitat von mir lautet „Ich liebe es, wenn ich durch meine Fotografie in die Lebensgeschichte eines Menschen eintauchen darf und diese in bildgewordenen Geschichten erzählen darf.“
Ich setze mich gern mit den Geschichten von Menschen auseinander und ich umgebe mich gern mit jungen Menschen.
… und dann gehört dazu der Spaß, der das Ganze zu einem kreativen Ausgleich zum Job macht. Es ist der Wunsch nach Selbstverwirklichung, nach dem etwas für mich selbst zu tun. Der Wunsch künstlerisch kreativ zu sein. Sich mit dem eigenen „Ich“ mit dem Innersten auseinanderzusetzen. Ich glaube, dass die Bilder die wir machen
auch immer ein Stück unserer Seele wiederspiegeln.
… uns vielleicht lässt sich auch etwas Bleibendes schaffen. Etwas das sich auch meine Enkelkinder (die ich noch nicht habe) anschauen und sagen können, dass hat mein Opa fotografiert.
Meine Generation (ich bin in diesem Jahr 55 Jahre alt geworden) ist die Generation die vom analogen Zeitalter in das digitale Zeitalter eingetaucht ist. Ich bin noch mit Schallplatten, Musik-Kassetten und CD’s großgeworden und streame heute meine Musik über Apple Music. Ich kenne noch Telefonzellen und habe mit meinen Jugendfreundinnen stundenlang für 20 Pfennig mit einem Wählscheibentelefon mit einem 10m langen Kabel in meinem Zimmer telefoniert. Heute findet die Kommunikation fast ausschließlich über WhatsApp und iMassage statt. Unser Leben liegt in der Hand eines iPhones. Ja ich war damals ein Techniknerd und ich könnte heute ohne mein iPhone nicht sein – zumindest glaube ich das. Und ich habe in Jugendtagen in meine Kamera einen Film mit 36 Bildern eingelegt. Wie man in der Fotografie so schön sagt „Wo Licht ist gibt es auch Schatten“, neben den positiven Aspekten dieser Entwicklung gibt es auch viele Negative. Eine davon ist die Schnelligkeit unserer Welt.
Wie schauen wir uns heute Bilder an. Instagram ist das Medium der Wahl geworden. In weniger als einer Sekunde entscheiden wir ob ein Bild gut oder schlecht ist. Verschenken ein Like oder eben auch keins und vergessen das Bild sofort wieder. Jeden Tag werden 100 Millionen Fotos auf die Plattform geladen… Da gibt es nichts Bleibendes und das obwohl wir Fotografierenden uns Gedanken machen, Mühe geben um dann in dem Datenmüll aus Einsen und Nullen unterzugehen.
Dieser Schnelllebigkeit möchte ich zumindest in der Fotografie entfliehen. Wie gelingt mir das?
Zum einen habe ich den Film vor 2 Jahren neu entdeckt und fotografiere wieder analog und habe mir somit die Spannung, die Vorfreude auf die gemachten Bilder aus Jugendtagen zurückgeholt (die Bilder sind nicht gleich und sofort verfügbar) und zum Anderen habe ich meine Fotografie bewusster gemacht. Schließlich sind auf einem Mittelformatfilm nur 12 Bilder. Da überlegt man sich sehr genau ob man den Auslöser drückt oder nicht. Das hat sich auch auf meine digitale Fotografie übertragen. Wenn ich früher mit 500 Bildern oder mehr nach einem Shooting nach Hause gekommen bin, sind es heute vielleicht 150.
Auf meinem Zettel für 2022 standen folgende selbst gesteckte Ziele:
- künstlerisch kreativ arbeiten
- weniger Photoshop
- Geschichten erzählen
- in Bildstrecken fotografieren
- Gefühl und Tiefe in den Bildern erzeugen
- bewusster fotografieren
- Bilder ausdrucken und reflektieren
- Technik reduzieren
- weniger spontanen Shootings, dafür mehr Gedanken im Vorfeld machen, einen Plan haben
Reflektierend muss ich sagen, dass ich meine Challenges zu einem sehr großen Teil umgesetzt habe.
Im Dezember 2021 habe ich meinen erstes FineArt Magazin „Melancholie“ erfolgreich veröffentlicht. Im Frühjahr 2022 folgte mein zweites Magazin „Carlotta“.
In eigener Sache, ich habe noch ein paar Exemplare, wer Interesse hat kann sich gern ein Exemplar liefern lassen: zu den Magazinen
Ein fotografisches Thema, welches auf alle genannten Ziele einzahlt – „Auf der Suche nach der Kunst“ – beschäftigt sich mit der Fotografie von Künstlern.
Dabei geht es mir darum unterschiedliche Künstler bei ihrer Arbeit zu begleiten und die jeweilige Kunst durch meine Fotografie zu erweitern.
Eine Essenz daraus war die Zusammenarbeit mit Carlotta von Plettenberg, aus der etwas für mich ganz Besonderes entstanden ist. Es ist interessant aus der Rückschau anzusehen, wie sich Dinge gefügt haben und wie Puzzleteile zusammenpassen, die man vorher gar nicht gesehen hat. Aus der Zusammenarbeit mit Carlotta ist eine Bildserie entstanden die eigentlich zu meinem Thema „Auf der Suche nach der Kunst“ gehört. Die Ergebnisse und die Zusammenarbeit mit Carlotta haben führten mich zu meiner ersten Ausstellung in Berlin Mitte und zu meinem zweiten Magazin.
Dieses Thema wird mich auch im kommenden Jahr begleiten. Ziel ist es, dass daraus ein neuer Bildband entsteht.
In diesem Jahr gab es eine zweite große Fügung, wenn man das so nennen darf. Ich bin seit langer Zeit Abonnent des SWAN Magazins. Ein Fine Art Magazin, dass vier Mal im Jahr jeweils 5 Künstler vorstellt. Im Frühjahr hat sich Marco und Thomas, zwei der drei Macher des SWAN bei mir gemeldet. Wir haben über mein Magazin Melancholie gesprochen und am Ende des Gespräches haben die Beiden gesagt, dass sie mich im Magazin haben wollen. Ich im SWAN – ich kann es immer noch nicht ganz glauben. Es ist für mich immer noch Surreal, dass ich mit einem Interview und mehreren Bildstrecken auf 40ig Seiten des SWAN-Magazins, neben vielen interessanten Künstlern und großen Fotografen wie Vincent Peters, Bryan Adams, Martin Schoeller, Fabio Borquez, Stefan Rappo, Olaf Heine, Andreas Jorns, vertreten sein durfte.
Ein zweite Veröffentlichung in diesem Jahr war ein größerer Artikel in der Photoklassik 01/22, in dem ich den Weg zu meinem ersten eigenen Magazin beschrieben habe. Hier durfte ich Bilder aus meiner „Melancholie“ zeigen.
Nach der Ausstellung bin ich in ein kreatives Loch gefallen. Ich habe mich leer gefühlt. Die Ausstellung hat mich fast 4 Monate gebunden. Durch den beginnende Krieg in der Ukraine, der mich immer noch unendlich traurig stimmt. Das es wenige Menschen gibt, die so viele Menschen ins Unglück treiben und ihnen den Tod und Elend bringenden Krieg aufzwingen, machen mich wütend, fassungslos und zeigen wie hilflos und machtlos wir gegenüber diesen Machtmenschen sind. Ich musste das Shooting mit Carlotta einmal verschieben. Ich habe mich mental nicht in der Stimmung gesehen, Bilder mit Carlotta zu machen. Es wäre nichts ordentliches dabei herausgekommen. Dann die Vorbereitung der Ausstellung, die Erstellung des Buches, dass waren ordentliche und zeitaufwendige Aufgaben. Das hatte ich tatsächlich komplett unterschätzt.
Trotzdem waren es sehr inspirierende Wochen in denen ich interessante Menschen kennenlernen und komplett neue Erfahrungen sammeln durfte. Eine zweite Ausstellung steht definitiv auf dem Zettel. Wann genau, dass lasse ich Euch wissen. Eine Idee habe ich schon, allerdings kann es noch ein bisschen dauern, bis es soweit ist.
In der Zeit des kreativen Lochs, habe ich Frauen auf der Straße angesprochen mit der Bitte ein Bild von Ihnen machen zu dürfen. Das war eine interessante Erfahrung. Wildfremd, zum Teil Berlintouristen in englisch (welches ich nicht wirklich sprechen kann) zu „verkaufen“, ein Bild zu machen, war eine Herausforderung. Auch an diesem Thema werde ich ab und zu weiterarbeiten.
Auf dem Jahreszettel Stand auch die „Eigene fotografische Entwicklung“. Dazu zählt sich kritisch zu hinterfragen. Sich gemeinsam mit Menschen des Vertrauens zu dem eigenen Tun, über die eigene Kunst, über Gedanken und die entstandenen Bilder auszutauschen. Ich bin dankbar dafür, dass ich diese Menschen kennenlernen durfte, die mich auf meiner Reise begleiten. Diese Reflektion bringt mich wirklich weiter.
Neben diesen Gesprächen, habe ich mir vorgenommen Bilder anderer Fotografen anzuschauen. Ich liebe Bildbände.
Neu in meinem Schrank stehen Bildbände von (ich habe Euch die Bildbände verlinkt)
- Vivien Maier, der unbekannten amerikanischen Straßenfotografin – „Eine Monographie“,
- von Vincent Peters – „Personal“
- Andreas Jorns – „What if?“,
- Olaf Korbanek und Luise Lanze –
„I never knew if you were the storm or the silence“ – ein großartiger Bildband, - Marco Gressler „Raindrops Sunshowers“, dass ich zu Weihnachten geschenkt bekommen habe.
Alle Werke sind fantastisch und eine echte Bereicherung. Keines der Bildbände würde ich hergeben.
Darüber hinaus habe ich mir für 2022 vorgenommen Ausstellungen zu besuchen und mich auch mit anderer Kunst auseinanderzusetzen um so meinen Horizont zu erweitern. Diese andere Kunst ist zum Beispiel die Lyrik. Ich habe Gedichte gelesen, mich mit Musik und Malerei auseinandergesetzt und dabei Inspiration für meine Fotografie erfahren. Auch Ausstellungen hatte ich auf dem Zettel. Leider habe ich es nur zu der aktuellen Newton Ausstellung in Berlin und zu meiner eigenen geschafft 🙂
Als Fazit kann ich für mich festhalten, war es ein sehr ereignisreiches Jahr mit zwei für mich bedeutenden Highlight (Ausstellung und der Beitrag SWAN-Magzin) anderseits habe ich mit 19 Shootings in einem Jahr noch nie so wenig fotografiert.
Ich wünsche Euch einen guten Start in das Jahr 2023 und immer gutes Licht.
Seid lieb gegrüßt
Lars Walter